Der selbe Weg
Obwohl Yoga und Jiu-Jitsu zwei völlig verschiedene Dinge zu sein scheinen, haben sie doch einige Gemeinsamkeiten.
Es gibt Spekulationen, dass die sog. Weichen Kampfkünste (sozusagen die Ahnen des Jiu-Jitsu) aus der vedischen Kultur kommen, von wo sie dann in den Buddhismus gelangten und dort erweitert wurden. Buddhistische Mönche brachten diese Kampfkünste dann zusammen mit den Prinzipien des Yoga nach Japan.
Das Prinzip des „Nicht Angreifens“
Das Grundprinzip eines Yogis ist Ahimsa, was Nicht-schaden bedeutet. Es wäre jedoch ein Irrtum anzunehmen, dass dies gleichbedeutend ist mit „nicht kämpfen“. Es bedeutet lediglich, nicht der Agressor zu sein. Alle sog. sanften Kampfkünste haben den Anspruch, die Kraft des Gegners gegen ihn selbst zu richten. Im Jiu Jitsu gibt man dem Gegner zunächst die Gelegenheit seine Lage zu erkennen und den Widerstand aufzugeben – was man mit einem ausgehandelten Waffenstillstand vergleichen könnte. Versucht der Gegner, den Kampf fortzusetzen, wird der Aufgabegriff weiter angezogen, was in der Regel zu seiner zeitweisen oder dauerhaften Kampfunfähigkeit führt.
Das moderne Jiu-Jitsu (besser bekannt als brasilianische Jiu-Jitsu) dient unserer Auffassung nach in erster Linie der Selbstverteidigung, danach kommt der sportliche Aspekt.
Ebenso wie das Yoga ist auch das Jiu Jitsu um Pragmatismus bemüht. Beide Künste haben nicht den Anspruch absoluter, das heißt unveränderbarer Wahrheit, sondern werden von den Ausübenden verschieden interpretiert, an den jeweiligen Körperbau und die Motorik angepasst und entwickeln sich somit ständig weiter. Was den individuellen Ansprüchen nicht mehr genügt, wird verworfen.
Sowohl im Yoga als auch im Jiu Jitsu kann man mitunter Bestrebungen beobachten, aus einer auf Pragmatismus ausgerichteten Kunst einen Kult zu machen – aber dies ist schon wieder ein anderes Thema.
Die Synthese von Yoga und BJJ
Die Asanas (körperliche Übungen) des Yoga fördern sowohl Aufmerksamkeit als auch Entspannung und korrigieren eine einseitig ausgebildete Muskulatur. Zusammen mit den Pranayamas (Atemübungen) helfen sie dem Jiu-Jitsu-Praktizierenden, Flexibilität und Core-Stabilität zu entwickeln und energiesparend zu kämpfen.
Auf der anderen Seite sind die komplexen Bewegungen des Jiu-Jitsu auch für den Yoga-Praktizierenden interessant, da es beim BJJ nicht um eine Solo-Performace geht sondern eine Interaktion mit dem Raum selbst stattfindet, mit dem Boden, der Mattenbegrenzung – und nicht zuletzt mit einem Partner und Gegner. Der enge Kontakt mit unterschiedlichen Gegnertypen und Temperamenten kann zu einem Gefühl der Verbundenheit führen, unabhängig vom sozialen und kulturellen Hintergrund der Person.
Aus mentaler Sicht hilft Yoga dem Jiu-Jitsu-Praktizierenden dabei, sich auf eine lange und harte Reise einzustellen und dabei nie den Fokus zu verlieren. Mit Meditation können körperlicher und geistiger Stress besser bewältigt werden.
Jiu-Jitsu wiederum gibt dem Yogi buchstäblich ein Gefühl der Erdung, da die Auseinandersetzung mit einem Gegner keinen Raum für Phantasien zulässt. Jede falsche Entscheidung hat unweigerlich Folgen und man zahlt dafür einen Preis. Ein Yogi, der sich auf BJJ einlässt, lernt mit der Wirklichkeit umzugehen, wie sie ist.
Die Vereinigung von Yoga und BJJ kann den eigenen Horizont beträchtlich erweitern. Wir richten unsere Aufmerksamkeit auf die unmittelbare Gegenwart, auf das, was wir gerade tun. Wir treffen damit zukünftig bessere Entscheidungen. Und nicht zuletzt lernen wir, in unseren Körper hinein zu hören und damit Verletzungen zu vermeiden bzw ihnen die Zeit zum Heilen zu geben.